(aus: Schlaglichter Nr.45/99)
Wieder etwas Neues in den Schlaglichtern – die Seite „Sp(i)rit“. Was das ist?
Sp(i)rit – Abkürzung für Spiritualität. Diese Abkürzung ist bewußt gewählt: Spiritualität als „etwas, das im Leben weiter bringt“. Ist der Sprit im Auto alle, bleibt der Wagen auf der Strecke (stehen) – ohne Spiritualität geht eine wichtige Dimension beim Christen verloren, man bleibt auf der Strecke (manche sagen zwar durchaus, mir fehlt nichts…!).
Künftig sollen also in dieser „Rubrik“ Texte, Beiträge zur Spiritualität zu lesen sein, es wäre schön wenn da auch Ideen, die in den Stämmen umgesetzt werden, mitgeteilt werden. Einzelne Beiträge gab es vorher schon u.a. unter der Rubrik „Materialien“, so z.B. ein Beitrag zur Spiritualität im Sommerlager (Nr. 35/ Juni 1997).
Wie hältst Du's mit der Religion
Mit der Gretchenfrage (noch sind wir ja im Goethejahr), wurde Workshop beim diesjährigen Leiterkongreß betitelt. Eine nicht unwichtige Anfrage – wenn wir uns als ErzieherInnen begreifen in einem katholischen Jugendverband. 1,5 Stunden in der Woche, die Wochenenden und Fahrten bewirken viel. LeiterInnen sind erzieherisch tätig, sie geben Werte weiter (das, was ihnen wichtig geworden ist) – Leben und Handeln im Geiste Jesu, ist dies bei uns im Blick? Daß wir dies auch als Wert weitergeben?
Die Frage: „Wie hältst Du's mit der Religion?“, will ich dabei nicht verstanden wissen als Kritik an Leiterinnen und Leiter, weil in vielen Stämmen in dieser Hinsicht (angeblich) nicht viel läuft, ich will nicht ins gleiche Horn stoßen von verschiedenen Pfarrern, Hauptamtlichen und PGRs, die fragen, wo denn die Jugend in den Gottesdiensten sei, ich stelle vielmehr fest, daß in 50 % der Stämme keine KuratInnen vorhanden sind, ich stelle fest, daß häufig die Hauptamtlichen fordern aber wenig fördern „Woher sollen sie glauben, wenn ihnen niemand verkündet“, heißt es in einem Paulusbrief. Hierhin gehört die Kritik, daß es ja soviel zu tun gibt in der Pfarrei, daß man sich das Leichtere(?) heraussucht, anstatt mit Jugendlichen, jungen Erwachsenen über ihre Fragen, Anfragen, etc. zu diskutieren, sie zu begleiten. Die Frage, „wie hältst Du's mit der Religion“, will ermutigen, sich mit der eigenen Spiritualität auseinanderzusetzen
Ich möchte dies mit einer gekürzten Geschichte einleiten: Der Faden an dem wir hängen:
An einem sonnigen Herbsttag segelte eine junge Spinne durch die Luft und landete schließlich in einer Hecke. Sie ließ sich zappelnd und tastend weit hinab und baute sich ein wundervolles Netz, in das sie sich behaglich setzte. Die Zeiten waren gut, und es flog ihr viel kleines Getier in die feinen Maschen, und sie wurde davon dick und behäbig. Eines Morgens – der Tau glänzte wie Perlen im Netz – wollte die Spinne ihre Wohnung inspizieren: Sie lief auf den engen Straßen ihrer Netzfäden herum und guckte überall hin, um zu sehen, ob alles in Ordnung sei. Da kam sie an einen Faden, der gerade in die Höhe lief und bei dem sie nicht erkennen konnte, wo er eigentlich endete. Sie schüttelte den Kopf und fand diesen Faden einfach sinnlos – und biß ihn durch. Im nächsten Augenblick klappte das Netz wie ein feuchter Lappen über ihr zusammen… (vgl. Sinndeuter 1, 54)
Das Netz ist die Ebene unseres Handelns und unseres Einsatzes – wir sorgen dafür, daß die Gruppe zusammenwächst, wir bilden unsere persönlichen Vernetzungen (Beziehungen), haben unsere Aufgaben und Begegnungen und vieles mehr. Auch darin ist sehr viel an Spiritualität: Wir geben uns in das, was wir tun, hinein, und wir erhalten auch viel an Energie, an innerer Bestätigung … aber ist das alles? Woran machen wir uns wirklich fest (um im Bild mit dem Netz zu bleiben) – damit wir auch nicht fallen, wenn die Zustimmung fehlt? Oder anders gesagt, sind wir uns dessen bewußt, daß wir festgemacht sind, christlich gesprochen, von Gott gehalten sind und er uns nicht fallen läßt? Kennen wir unseren Faden oder haben wir den Faden verloren – durch ungute Begegnungen, durch den vielen Streß, durch das fehlende Gespräch und fehlende Praxis, durch eine schwierige Situation u. v. m.?
Ich lade Euch ein, Euch auf den Weg zu machen zu Eurem Faden nachzuspüren, sei es, daß er weiterhin das Netz des Lebens hält, sei es, daß er schon gerissen ist, aber Reste noch da sind – die man dann neu verknoten kann – PfadfinderInnen kennen Knoten…
Karl Heinrich Stein, Diözesankurat